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Astrologie-Kritik am Beispiel der US-Präsidentenwahl

Der Ausgang der US-Präsidentenwahl ist wohl jenes Ereignis, welches von den Astrologengemeinschaft weltweit am weitaus häufigsten prognostiziert wird und auch von den Finanzmärkten für wichtig gehalten wird. Von daher ist es ein sehr gutes Anschauungsbeispiel dafür, wie es um die derzeitige Astrologie im allgemeinen bestellt ist - ziemlich schlecht nämlich. Die standardmäßig praktizierte Astrologie wird noch großteils von Aberglauben und ungeprüften Theorien beherrscht, weswegen es nicht überrascht, daß die Mehrheit der Prognostiker auch dieses Mal auf das falsche Pferd setzte, nämlich auf Kerry. Dieser Artikel ist dazu gedacht, die Kriterien für seriöses Arbeiten anhand der Präsidentenwahl zu erklären, um so das Bewußtsein für echte Qualität zu schärfen und sich auch besser vor Scharlatanen zu schützen, welche leider immer noch die Szene dominieren, zumindestens in den Massenmedien.

Ganz gleich, um welche Frage es sich dreht, am Anfang sollte stets die Erhebung des aktuellen Erkenntnisstandes stehen: gibt es ausreichend gesicherte Erkenntnisse oder nicht? Da bei der Astrologie leider die Grundlagen fehlen, wird diese Frage fast immer mit "nein" zu beantworten sein, so auch in diesem Fall.

Ich habe zu dieser Frage nur eine einzige brauchbare Studie entdeckt, die im Journal "The International Astrologer" (Winter 2004) von der astrologischen Vereinigung ISAR herausgegeben wurde. Ann Parker beschreibt darin den Parallel- und Kontraparallelschein (Deklinationen) vom transitierenden Saturn zur Geburtssonne der Kandidaten als recht aussagekräftigen Gewinnerfaktor. Klassisch ist dies eine "schlechte" (Verlierer-) Konstellation und genau das Gegenteil von dem, was Astrologen normalerweise unter "guten" (gewinnträchtigen) Konstellationen verstehen. Dieses "alles ist umgekehrt"-Phänomen ist häufig im Bereich der Astrologie anzutreffen, siehe dazu auch mein Buch (welches nächstes Jahr in 2., erweiterter Auflage erscheint) und diesen Artikel über sog. bullische und bearische Konstellationen. Selten kommt bei empirischen Überprüfungen das heraus, was man sich erwartet.

Leider war dieser Saturn-Indikator nicht ganz eindeutig in diesem Fall, räumte allerdings Bush etwas bessere Chancen ein als Kerry. Diese Studie ist schon mal ein guter Anfang, es braucht aber mehr Konstellationen, um wirklich aussagekräftige Prognosen und mehrfach abgesicherte Prognose erstellen zu können.

Wenn es also zu wenig Abgesichertes gibt, kann man nur selber Hand anlegen, sodann stellt sich die Frage nach der Wahl der richtigen Methoden. Der heutige astrologische Mainstream, die psychologische personen-zentrierte Astrologie, eignet sich meines Erachtens wenig für die Beantwortung konkreter Fragen, stattdessen vor allem klassische Astrologie, Mundanastrologie und Stundenastrologie. Die psychologische Astrologie ist wunderbar dafür geeignet, um gewisse Qualitäten herauszuarbeiten, ein direkter Schluß auf Ereignisse ist jedoch schwer und nur über Umwege möglich.

Die kapitalistische Ideologie nährt die Illusion, daß das Individuum der Schlüssel ist, deswegen waren fast alle Prognosen auf den Geburtshoroskopen von Bush und Kerry aufgebaut. Es wundert mich daher kaum, daß mein geschätzter Kollege Ray Merriman, einer der wenigen bekannten Astrologen, der die Wahl richtig prognostizierte, sich primär auf die ziemlich konservativen Konstellationen am Wahltag (2.11.) selber stützte: MondDer Mond hat oft einen großen Einfluß auf die Märkte, an erster Stelle der Vollmond, an zweiter Stelle der Neumond. im Krebs im applikativen Trigon zu Saturn, Merkur in exaktem Trigon mit Saturn, Mars im engen applikativen Quadrat zu Saturn (Saturn und die Erdzeichen Stier, Jungfrau und Steinbock sind die Signifikatoren für Konservativismus). Es gibt übrigens eine gute Studie basierend auf den Daten eines Meinungsforschungsinstituts, daß Menschen mit viel Erde in ihrem Geburtshoroskop statistisch signifikant häufiger konservativ wählen. Ein guter Ansatzpunkt für Forschungen ist es sicher immer, die Arbeitsweise jener zu studieren, die richtig lagen.

Es gab für mich nur eine einzige Konstellation, die ich auch ohne zusätzliche Forschungen als wirklich aussagekräftigen Indikator annahm: den sogenannten leerlaufenden MondDer Mond hat oft einen großen Einfluß auf die Märkte, an erster Stelle der Vollmond, an zweiter Stelle der Neumond. (Kurzbedeutung: "daraus wird nichts") für den es ausreichend empirische Belege gibt und der auch Gegenstand meiner Doktorarbeit war. In diesem Fall allerdings wurde keiner der beiden Kandidaten nominiert zu einem leerlaufenden MondDer Mond hat oft einen großen Einfluß auf die Märkte, an erster Stelle der Vollmond, an zweiter Stelle der Neumond. (in der klassischen Definition), weswegen ich keine offizielle Prognose abgab, zumal ich den Zeitaufwand für zusätzliche Untersuchungen auf mindestens 50-70 Stunden schätzte, vielleicht sogar wesentlich mehr. Mit einer Grundgesamtheit von N>50 (Anzahl der US-Wahlgänge) kann man schon sinnvoll Forschung betreiben. Das gute in diesem Fall ist, daß wir eine relativ simple Frage haben mit wenigen und eindeutig definierten Parametern, sodaß man hier recht gut empirisch arbeiten kann. Bei relativ komplexen Fragen oder unzureichenden vorfügbaren Daten ist das in dieser Form sowieso nicht möglich.

Ich halte es für das langfristigeLangfristig bezieht sich auf einen Zeithorizont von Jahren. makroökonomische Bild für relativ unwichtig, wer tatsächlich Präsident ist, weil ohnehin die Hochfinanz und Geheimgesellschaften bestimmen, wo es langgeht, und für jene Bereiche, wo es eine Rolle spielt, tut es auch noch die Entscheidung am Wahltag. Einzig und alleine für einige kurzfristige Spekulationen in bestimmten Einzelaktien wäre die korrekte Prognose wichtig, mir persönlich war jedoch dafür der Zeitaufwand zu hoch, zumal ich mich wenig mit Einzeltiteln beschäftige.

Es ist deswegen so wichtig, die entsprechenden Kriterien schon vor der Analyse der Konstellationen zu definieren, weil diese Frage so gut wie niemanden kalt läßt, was die Objektivität beeinträchtigt. So gut wie jeder ist emotional beteiligt, vor allem natürlich die US-Astrologen selber. Innerhalb der Astrologengemeinschaft gab es einen klaren Bias zugunsten von Kerry, sodaß sich Wunschdenken leicht in die Analyse mischen konnte. Leider habe ich abgesehen von Ann Parker nirgends von einer wirklich sauberen Vorgangsweise mit vordefinierten Konstellationen gehört, es wurde anscheinend ohne Konzept einfach drauf los gedeutet.

Mangels ausreichender Basis veröffentlichte ich also keine offizielle Prognose, sondern hatte lediglich eine Privatmeinung, die ich auf Anfrage in Gesprächen und auf elektronischem Wege weitergab. Der Jammer ist, daß Hinz und Kunz in der Astro-Szene ohne ausreichende Forschung Prognosen abgeben, falsche Theorien werden nicht richtiger, auch wenn sie Hundert Mal wiederholt werden. Die Interpretation erfolgt oft kritiklos im Sinne der tradierten Theorien, deswegen ist die Quantität der Prognosen sehr groß, die Qualität jedoch mangelhaft. Typisch ist, daß man mit der einzigen vorhandenen Studie (die etwas  Bush favorisierte) schon besser gefahren wäre als mit der Astrologengemeinschaft als ganzes, was - leider - sehr viel aussagt über die Problematik. Unnötig zu sagen, daß auch bei noch so fundierter Arbeit jede Aussage immer nur Wahrscheinlichkeitscharakter hat, schon alleine deswegen, weil die Zukunft keine lineare Fortschreibung der Vergangenheit ist.

Was aber sind nun die Konsequenzen dieser Überlegungen für die praktische astrologische Arbeit? Zweifellos hat die Astrologie noch einen weiten Weg zu gehen (Jahrzehnte!), bevor sie wirklich auf festem Boden steht, and bis wir diesen Punkt erreicht haben sind wir Astrologen teilweise gezwungen fragwürdige Theorien zu verwenden. Zumindestens sollte sich jeder Praktizierende dieser Probleme bewußt sein und sehr vorsichtig in den Interpretationen sein. Intuition und Führung von oben werden uns hoffentlich dabei behilflich sein, dieses Problem zu überbrücken. Im Bereich der Börsenstrologie im engeren Sinne bin ich mittlerweile in der glücklichen Lage, fast ausschließlich getestete und fast keine tradierten Theorien zu verwenden.

Aberglauben findet man überall, auch im Börsebereich, es halten sich überall Mythen, die Lichtjahre von der Realität entfernt sind. Ein besonders hartnäckiger Mythos ist der, daß ein republikanischer Präsident besser ist für die Aktienmärkte als ein Demokrat. Wie von Mark Hulbert und anderen belegt, ist die Wahrheit wieder 180° entgegengesetzt: während der Dow Jones seit 1901 durchschnittlich 7.2% pro Jahr gewann, blieb die Rendite unter republikanischen Präsidenten mit nur 3.8% weit dahinter zurück. Die Wiederwahl von Bush ist also, rein historisch betrachtet, ein klares bearisches Signal für die Aktienmärkte für die nächsten 4 Jahre.

Hier einige post-hoc Beobachtungen: mir fiel aber auf, daß bei der Nominierung Kerrys am 29.7.2004 gegen 12:16 Uhr in Boston/MA der Herrscher des Waage-Aszendenten (Venus) im Leerlauf steht, eine Konstellation, die in der Literatur eine ähnliche Bedeutung hat wie der leerlaufende MondDer Mond hat oft einen großen Einfluß auf die Märkte, an erster Stelle der Vollmond, an zweiter Stelle der Neumond.. Auch stand der MondDer Mond hat oft einen großen Einfluß auf die Märkte, an erster Stelle der Vollmond, an zweiter Stelle der Neumond. im Leerlauf nach einer modernen Definition (kein Hauptaspekt innerhalb von 8-10°). Diese Beobachtung wäre ebenfalls eine gute Basis für weitere Forschungen.

Aus Sicht der psychologischen Astrologie scheint der Waage-Aszendent im Nominierungshoroskop das Problem im Wahlkampf auszudrücken, nämlich Wankelmütigkeit bzw. das Fehlen eines klaren Standpunktes (im Gegensatz um "Bulldozer" Bush), zumal auch die Venus noch im leicht unentschlossenen und für alles offenen Zeichen Zwillinge stand.

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