Das Thema Inflation ist besonders seit dem Jahr 2007 in aller Munde, da sich die Preise auf breiter Front immer schneller nach oben bewegen. Zwischen dem theoretischen Wissen der meisten Menschen, was Inflation ist, und der praktischen Umsetzung im täglichen Leben, klafft jedoch eine riesengroße Lücke.

Beginnen wir mit dem Fremdwort "Inflation" (im Sinne von steigenden Konsumentenpreisen verstanden), das deutschsprachige Pendant ist das viel aufschlußreichere Wort "Geldentwertung". Das Wesen der Inflation ist, daß das Geld weniger wert wird (Ursache) und als Folge dessen steigen die Preise (Symptom). Man könnte diesen Sachverhalte auch noch so formulieren: die Quantität des Geldes steigt, während die Qualität sinkt.

Dies wird erstaunlicherweise kaum in der vollen Tragweite vom Durchschnittsbürger rezipiert: in einem interessanten Experiment wurden die Versuchsteilnehmer befragt, ob sie eine Lohnkürzung von 2% (bei nicht existenter Inflation) für fair halten. Die Antwort war natürlich nein, jedoch genügte schon eine kleinere Veränderung in der Fragestellung, um das Gefühl von Fairneß zu erzeugen: eine Lohnerhöhung von 2% bei einer gleichzeitigen Inflation von 4% wurde nämlich als ok beurteilt, obwohl dies auf dieselbe Lohnkürzung von 2% hinausläuft.

Nicht nur im Labor sehen wir mangelndes Verständnis für das Wesen der Inflation, sondern auch im alltäglichen Leben: so werden selbst viele langfristigeLangfristig bezieht sich auf einen Zeithorizont von Jahren. Verträge ohne eine explizite Berücksichtigung der Inflation abgeschlossen. Ein repräsentatives Beispiel aus eigener Erfahrung ist, daß meine Vermieterin sich zwar über die monatlich anfallenden Zahlungsverkehrsgebühren beim Mietdauerauftrag von 10 Cent beschwerte, jedoch eine auf 10 Jahre gleichbleibende Miete im Vertrag verankerte, was in Inflationszeiten wie diesen fast einer realen Miethalbierung gleichkommt.

Warum aber fällt es sogar intelligenten und gebildeten Menschen (selbst im Finanzbereich) so schwer, die Inflation angemessen zu berücksichtigen? Unser globales Papiergeldsystem seit 1971 produziert fast unausweichlich Inflation, weil Geld permanent aus dem nichts geschöpft wird, d.h. die Quantität des Geldes nimmt fast immer zu. Dies ist eigentlich ein Anachronismus der Sonderklasse, denn Geld kann damit seine Rolle als objektiver und verläßlicher Maßstab ökonomischer Vorgänge und "Schmiermittel" der Wirtschaft nur mehr bedingt erfüllen. Überall sonst im Leben ändern sich die Maßeinheiten nicht, es wäre unvorstellbar, wenn zum Beispiel die Länge eines Meters jedes Jahr verändert wird oder ein Watt jedes Jahr anders festgelegt wird. Nur beim Geld ist alles anders: ein Dollar des Jahres 2008 ist überhaupt nicht mehr zu vergleichen mit dem Dollar des Jahres 1913 (Gründung der Federal Reserve), selbst der Euro vom 1.1.1999 ist kaum mehr mit dem Euro 2008 zu vergleichen.

Mit anderen Worten: die Regeln, die überall sonst im Leben gelten, gelten in einem Papiergeldsystem nicht. Die Angabe einer Währungseinheit ist ohne Angabe eines ungefähren Datums fast ohne Aussagekraft. Das ist nicht leicht zu "verkraften" und erklärt, warum es nicht nur dem gemeinen Bürger, sondern sogar vielen Finanzprofis schwer fällt, die überragende Bedeutung der Inflation richtig einzuschätzen.

Während es für Trader in der Regel ausreichend ist, sich auf die nominelle Entwicklung von Finanzwerten zu konzentrieren, muß der langfristigeLangfristig bezieht sich auf einen Zeithorizont von Jahren. Investor primär die reale Entwicklung der Depotwerte im Auge behalten (was allerdings zuwenige wenige ernsthaft tun).

Beispiel: die US-Aktienmärkte gemessen am S&P 500-Index befanden sich von 2003 bis Ende 2007 in einer Hausse. Der Durchschnittsinvestor ist meist damit zufrieden, daß sein Depot am Jahresende nominell etwas mehr wert ist als am Jahresbeginn. Wenn wir jedoch die reale Indexentwicklung mithilfe der Inflationsdaten von John Williams korrigieren, dann müssen wir feststellen, daß wir seit dem Allzeithoch Anfang 2000 abgesehen von einer kurzen Unterbrechung (März 2003 - Januar 2004) die ganze Zeit in einer Baisse waren! Als im Herbst 2007 neue Indexhochs gefeiert wurden, war der Index inflationsbereinigt immer noch ungefähr die Hälfte unter dem Hoch des März 2000.

Selbstredend kann es für keinen Investor eine sinnvolle Zielsetzung sein, daß sein Depot inflationsbereinigt jedes Jahr an Wert verliert. Damit kommen wir schon zu einem prinzipiellen Thema: wenn das Geld permanent weniger wert wird, dann hat man eigentlich nur zwei Wahlmöglichkeiten, um nicht zu verlieren: entweder das Geld rasch zu konsumieren (schafft Konsumdruck) oder den Wert der Ersparnisse zu vermehren oder zumindestens zu halten durch Finanztransaktionen (schafft Renditedruck). Ich möchte beide Formen genauer diskutieren:

Laut Williams war die Inflation der US-Leitwährung 2% im Jahr 1986, seither stieg sie stetig an auf mittlerweile +12%, weswegen sowohl Konsumdruck als auch Renditedruck global gesehen stetig zunehmen (obwohl die Dynamik in Europa abgeschwächt ist). Dies erklärt auch die Verschuldung der (US-) Konsumenten: gute Schuldner zahlen weniger Kreditzinsen als die tatsächliche Inflation, insofern ist das Aufnehmen eines Kredits in Zeiten mit hoher Inflation und niedrigen Zinsen eine durchaus rationale Strategie.

Die Conclusio dieses Artikels ist, daß das Verstehen und Berücksichtigen der Psychologie der Inflation zentral ist in der aktuellen Zeit, ganz besonders natürlich für den Investor und Trader.