Eintrittsgeld für Notaufnahmen?

Patienten mit akuten Beschwerden wissen oft nicht, ob sie Notfälle sind. Ist nicht krank genug für die Notaufnahme, wer sich selbst dorthin schleppt? Symbolbild: Usien / CC-BY-SA-3.0

Der Vorschlag des Kassenärzte-Chefs stößt auf Ablehnung. Vorerst hat er keine Aussicht auf Umsetzung. Aber ein großes Problem für Akutpatienten besteht weiter.

Mit diesem Vorstoß hat sich der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen nicht viele Freunde gemacht: "Wer weiterhin direkt in die Notaufnahme geht, ohne vorher die Leitstelle anzurufen, muss gegebenenfalls eine Notfallgebühr entrichten, denn das kostet die Solidargemeinschaft unterm Strich mehr Geld und bindet unnötig medizinische Ressourcen", sagte Gassen diese Woche dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Wer noch selbst in eine Notaufnahme gehen kann, ist oft kein echter medizinischer Notfall", meint er.

Manche der Betroffenen haben dann allerdings schon Taxigeld investiert, weil sie das eben nicht konnten – und andererseits nicht sicher waren, ob es als "Missbrauch" gelten könnte, einen Krankenwagen zu rufen, wenn man noch selbst telefonieren und aufstehen kann.

Manche werden auch von Freunden oder Angehörigen gebracht. Hinzu kommt, dass manche Arztpraxen mit vollem Terminkalender selbst die Notaufnahme als Alternative benennen, wenn Anrufer sagen, dass es wirklich dringend sei.

Nach Gassens Meinung sollen Patienten in solchen Fällen vor dem Gang in die Notaufnahme noch eine Leitstelle oder den ärztlichen Bereitschaftsdienst anrufen, um eine erste telefonische Einschätzung zu bekommen – oder eben eine Art Strafgebühr für die Notaufnahme zahlen.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte dies umgehend – auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erteilte dem Vorstoß eine Absage. Es werde intensiv über die Neustrukturierung der Notfallversorgung diskutiert, über eine Gebühr jedoch nicht, stellte Lauterbach am Mittwoch in Berlin klar. Der Vorschlag habe keine Aussicht auf Umsetzung.

Hintergrund ist ein seit Jahren bekanntes Problem: Patienten mit akuten Beschwerden wissen ohne Diagnose nicht zwangsläufig, ob sie Notfallpatienten sind – auf Facharzttermine mehr als einen Monat zu warten, ist aber für Kassenpatienten in vielen Städten und Regionen der Normalfall. Auch mehr als zwei Monate Wartezeit sind keine Seltenheit.

Dringlichkeitsüberweisung verkürzt Wartezeit

Wer einen kompetenten Hausarzt hat und dort schnell einen Termin bekommt, hat immerhin Chancen auf eine Dringlichkeitsüberweisung. Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen vermitteln dann in der Regel innerhalb einer Woche einen Facharzttermin.

Verzweifelt herumtelefonierende Patienten mit akuten Beschwerden werden aber von Arztpraxen, die in den nächsten Wochen keinen Termin frei haben, durchaus auch mal an die Notaufnahme im Krankenhaus verwiesen. Viele der Betroffenen können ohne Diagnose kaum einschätzen, ob sie lebensgefährlich erkrankt sind oder nicht.

Darauf wies unter anderem Deutsche Stiftung Patientenschutz hin: Von massenhaftem Missbrauch der Notaufnahmen könne keine Rede sein. Patientinnen und Patienten könnten die Schwere ihrer Symptome oft nicht deuten. Beinahe die Hälfte würde sich "bei nicht lebensbedrohlichen Beschwerden an den ärztlichen Bereitschaftsdienst wenden."

Auch für Mediziner sei es aber oft schwer, eine fachfremde Diagnose zu stellen. "Deshalb müssen zunächst die Verbände der Kassenärzte ihre Hausaufgaben machen", forderte Brysch. Das gelte für den Ausbau und die Spezialisierung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes auch für ausreichende Öffnungszeiten der niedergelassenen Arztpraxen sowie das Angebot von Hausbesuchen.

Der Verband leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte hält eine Notaufnahmegebühr auch nicht für sinnvoll. "Der Aufwand ist bei solchen Gebühren größer als der Ertrag", sagte deren Präsident Michael Weber den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Das habe die Erfahrung mit der einstigen Praxisgebühr gezeigt. Wichtiger wäre eine adäquate Finanzierung für die Notfallversorgung, betonte Weber.